Drei Sterne leuchten über Oberntudorf

Über dem frisch aus dem Boden gestampften  Kreiskönigsplatz in Oberntudorf leuchten drei Sterne. Der Marathon der Mühen mündet in diesen Tagen im finalen Endspurt. Alle im Dorf und am meisten natürlich die Kreiskönigsfamilie selbst fiebern dem finalen Einlauf zum Kreisschützenfest vom 2. – 5. September entgegen. Der olympische Geist feuert die St. Hubertus-Schützen Oberntudorf auf den letzten Metern an. „Seid dabei – Wir feiern den Stern drei“, lautet die Einladung zum krönenden Abschluss der Schützenfestsaison. Und das olympische Motto des amtierenden Kreiskönigs Michael Wessel bringt diese Botschaft auf den Punkt: „Das Wir gewinnt!“

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Eine echte Königsfamilie, keiner fehlt im Festumzug zum Kreisschützenfest (von links): Kai (im Hofstaat seines Bruders), Ben (Schildträger), das Kreiskönigspaar Heidi und Michael Wessel sowie Marius, aktueller König der St.-Hubertus-Schützen Oberntudorf mit seiner Königin Kim Kleinschmidt.

Die Königsdisziplin der heimischen Schützen ist das Kreisschützenfest in seiner mittlerweile  59jährigen Tradition. Wieviel Disziplin braucht ein Kreiskönigspaar und seine Schützenbruderschaft, um ins Ziel zu kommen? „Es braucht viel Ausdauer“, ist sich das Kreiskönigspaar Heidi und Michael Wessel mit einem Augenblick einig. „Aber das Dorf trägt uns auf Händen, da ist so viel Vorfreude, Bewegung und Begeisterung, das treibt uns an und bleibt ein unvergessliches Erlebnis“, ist sich das energievolle Königspaar schon vor dem Festhöhepunktsicher. Der Weg ist in diesem Fall schon das Ziel. Mehr als 400 Akteure packen in den letzten Wochen in Arbeitsgruppen oder spontan mit an, eigentlich gibt es keinen Haushalt mehr in Oberntudorf, der nicht in irgendeiner Weise im Fest des Jahres eine aktive Rolle spielt. Der olympische Gedanke „Dabei sein ist alles“ verbindet und passt eben zum persönlichen Motto des Kreiskönigskönigs, denn das „Wir“ hat schon vor dem Fest gewonnen.

Nicht nur das Dorf, auch die Königsfamilie hält zusammen und hat einen festen Platz im großen Festzug am Sonntag des Kreisschützenfestes. Die Kreiskönigin hat gleich 84 Kinder unter ihrer Schirmherrschaft, denn sie stellt das Team der Schilderträger persönlich zusammen. Der jüngste Sohn Ben, 12 Jahre alt und Liebfrauenschüler in Büren, wird als einer der Schilderträger den Abordnungen vorangehen. Kai, 18 Jahre alt und angehender Forstwirt, war im Wettstreit um die Jungschützenkönigswürde in Oberntudorf knapp seinem Kontrahenten David Spring (Enkelsohn des ersten Oberntudorfer Kreiskönigs Josef Daniels) unterlegen, aber er gehört im Festzug nun zum Hofstaat seiner Bruders Marius. Dem 20jährigen ältesten Sohn der Königsfamilie gelang das seltene Kunststück, im Jahr des Kreiskönigs selbst König zu werden in der Hubertus-Bruderschaft in Oberntudorf. Der gelernte Werkzeugmacher regiert mit seiner Freundin Kim Kleinschmidt  als Königin und macht das Königshaus Wessel komplett. So ein Königsrummel unter einem Dach, das ist schon eine Rarität in der Geschichte der Kreisschützen.

Dabei ist die Schützenfamilie Wessel nicht abgehoben, sondern schön auf dem Boden geblieben. Der Alltag hat sich fernab der Königsfeiertage eigentlich nicht verändert, verrät auch der 12jährige Ben. „Bei uns werden die Brötchen zum Frühstück immer noch nicht auf dem Silbertablett gereicht, ist seine erdende Erkenntnis. Und Kreiskönigin Heidi steigt vom sterilen OP-Saal auf den Königsthron. Sie ist im richtigen Leben OP-Krankenschwester in der Unfallchirurgie Salzkottener Vincenz – Krankenhaus und bestens mit den Licht- und Schattenseiten des Lebens vertraut. Sie war es auch, die am Tag des Kreiskönigsschusses von König Michael im Vorjahr an einem total verregneten und nasskalten Tag in Essentho in der ersten Euphorie auch ein Zögern verspürte. „Natürlich wusste ich, dass Michael den Kreisvogel abschießen wollte, aber als er dann fiel, hatte ich im ersten Moment auch ein bisschen Angst und dachte, wie schaffen wir das?“ Doch die letzten Sorgenfalten legten sich schon am ersten Kreiskönigsabend, als die ersten Busse aus Oberntudorf zur spontanen Gratulation anrollten. Heidi Wessel strahlt heute: „Da wusste ich, wir sind nicht allein, das war ein richtig gutes Gefühl!“

Nur noch Salzkotten hat drei Kreiskönige in seinen Reihen. Die Geschichten der Oberntudorfer Kreiskönige sind also auch ein Blick in das Geschichtsbuch des Kreisschützenfestes, alle leben noch und werden im Festzug mit ihren Königinnen dabei sein.

Der erste Oberntudorf Kreiskönig ist der heute 78jährige Josef Daniels, ein echter Haudegen mit dem Herz auf dem richtigen Fleck. Der Straßenbauer war 1966 so ungefähr in der achten Schießrunde in einem verregneten Harth direkt nach seinen Niederntudorfer Schützenkollegen Anton Montag dran, seines Zeichens ebenso Straßenbauer. „Anton verfehlte knapp und ich traf den Vogel, das ist eben auch immer ein bisschen Glücksache“, erinnert sich Daniels, den sein Hofstaat damals auf „den Buckel nahm“, um ihn im freudigen Übermut in eine große Pfütze auf dem durchnässten Festplatz zu werfen. Für den damals 25jährigen Daniels war 1965 ein Jahr der klaren Kante: Erst König in Oberntudorf mit seiner Braut Anneliese, die er dann Pfingsten zum Traualtar führte, um sie im September als Ehefrau zur Kreiskönigin zu machen.

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Sie wissen, wie es geht: Die drei Oberntudorfer Kreiskönige v.l. Josef Daniels (1966), Michael Wessel (2016) und Bernhard Küsterarend (1994).

Der zweite Oberntudorfer Kreiskönig ist der Malermeister Bernhard Küsterarend, der im „hohen Alter“ von 58 Jahren im Jahr 1993 in Siddinghausen Kreiskönig wurde. Für Küsterarend ist das Schützenwesen nicht unbedingt die Hauptsache, als Fußballer im TSV Tudorf und Kolping-Anhänger hatte der heute agile 80jährige auch zur Königszeit noch andere tauben auf dem Dach. „Wegen mir hätte ich den Kreisvogel nicht abschießen müssen, aber unsere Schützenhalle war noch nicht fertig, da spornten mich meine Schützen an, damit der Bau mit der Kreiskönigsspitze vorangetrieben werden konnte“, lacht der Malermeister heute verschmitzt. Und das gelang ihm, ob wohl der nächste Schütze zu dieser Zeit aus Verlar kam und darum bat, nicht so genau draufzuhalten, Oberntudorf hatte ja zu diesem Zeitpunkt schon einen Kreistitel. „Ich war aber auch noch nicht Kreiskönig“, war die prompte Antwort und schon purzelte der Kreisvogel und das Kreiskönigspaar Bernhard und Katharina Küsterarend feierte 1994 ein zünftiges Kreisschützenfest noch auf der alten Wiese bei Meiers. Die reicht im Jahr 2016 nicht mehr, wenn 52 Schützenvereine mit rund 6.500 Schützen, 40 Kapellen und fast 30.000 Besucher die Gastfreundschaft des bewegten Drei-Sterne-Dorfes in vollen Zügen genießen dürfen.

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